Corona und die Folgen – Gedanken eines Familienvaters aus Kamen

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Plötzlich Stillstand, im Ausnahmezustand – auf einmal ist alles unsicher, was bislang sicher schien.

Ein Familienvater aus Kamen schildert uns in diesem Leserbeitrag, wie er und seine Familie die vergangenen Wochen seit dem Corona-Lockdown erlebt haben. Er möchte anonym bleiben, aus Gründen, die sich im Text erschließen. Sein Name und seine Kontaktdaten sind uns bekannt.

Hier seine Gedanken.

„Corona:

Ich bin Vater von zwei Söhnen, 5 und 7 Jahre alt, und glucklich verheiratet. Letztes Jahr haben wir es geschafft, unseren Traum zur Erfüllung zu bringen – eine Finanzierung durch eine Bank für ein eigenes Haus.

Am Nachmittag des Freitags, 13. März, wurde bekannt gegeben, dass alle Schulen von Montag an für fünf Wochen zu haben. Konnte das ganze Wochenende nicht schlafen voller Vorfreude auf die Arbeit und ein Gespäch mit meinen Arbeitgeber…

Nichts anderes, als ich erwartet hatte von meinem Vorgesetzen. Es sei ihm egal, was mit meinen Kindern ist. Du machst Spätschicht, ist egal, was mit deiner Krankheit ist, oder du nimmst Urlaub. Wie immer kein freundlicher Ton, kein Wunder, dass ich mittlerweile an Depressionen leide, Hauptsache, die Firma läuft. Schwimmst du gegen den Strom, wirst du niedergemacht.

Hoffnung, dass es bei meiner Frau besser läuft. Wir arbeiten in derselben Branche, nur in unterschiedlichen Betrieben und Bereichen, ich in der Produktion und meine Frau in Büro.

Meine Frau hatte mehr Glück, sie sollte sich was mitnehmen für Homeoffice, für einige Wochen. Da ihr Chef menschlich ist.

Chaos bei mir auf der Arbeit. Die Büros werden abgeschottet von den normalen Arbeitern.  Unser Meister versteckt sich in seinem Büro, Hauptsache, kein Kontakt zu uns. Nur kurz Aufgaben geben, dann wegrennen. Immer mehr Vorschriften, Abstand, E-Zigarettenverbot wegen Coronaverbreitung etc etc.

Der Ton wird immer schlimmer, nach den Motto, jetzt haben wir dich. Wegen Corona können wir ohne Grund kündigen. Allein gelassen von den Vorgesetzten. Immer mehr Druck. Unsicherheit.

Immer wieder zeigt uns unser Arbeitgeber, dass wir nichts sind, austauschbar, nur eine Nummer. Scheiss auf Verträge, scheiss auf Gesundheit. Wie sollte es auch anders sein, vor Corona war es genauso, aber nicht so schlimm.

Meine Frau hat immer mehr Probleme, Homeoffice und die fordernden Kinder. Beide pushen sich immer mehr auf. Und eins der Kinder ist eh schon in Therapie, weil er immer wieder ausrastet ohne Gründe. Außerdem muss meine Frau trotz Homeoffice öfters ins Büro. Täusche Kopfschmerzen vor, damit ich der Arbeit fernbleiben kann, damit meine Frau wichtige Dinge auf ihrer Arbeit erledigen kann.

Die ersten zwei Wochen sehen so aus: Morgens bin ich arbeiten, meine Frau mittags 3 bis 4 Stunden. Nebenbei machte sie Homeoffice und Hausaufgaben mit dem Erstklässler.  Ich mache auch Hausaufgaben nach der Arbeit mit den Kindern.

Am Freitag der zweiten Woche kommt mein Meister, ist mir scheiss egal, du machst Spätschicht Montag, oder Minusstunden, Urlaub oder wirst gekündigt. Und haut wie immer ab. Von einem Arbeitskollegen habe ich erfahren, dass er extra dafür gesorgt hat (also für meine Spätschicht), weil er jetzt selbst auch Spätschicht machen muss und es nicht einsieht, dass ein Attest mich schützt. Gerade er, der Choleriker, der noch nie eine Spätschicht gemacht hat.

Nach einigem Hin und Her willige ich am Montag nach einem Gespräch mit einem noch höheren Vorgesetzten ein, mir bleibt keine andere Wahl. Morgens kann meine Frau wieder arbeiten und ich mach Schicht im wöchentlichen Wechsel. Kann die ganze Woche nicht schlafen, mir wird immer wieder schwarz vor den Augen, erschöpft etc. Keiner kommt, um zu fragen, wie geht´s dir. Hauptsache, der Betrieb verdient weiterhin Geld.  Außer einem Arrbeitskollegen, der sieht, dass es mir immer dreckiger geht, der schaut immer wieder nach mir.

Zwei-Schicht-Sytem, wo wir den anderen nicht begegnen dürfen. Der Frühschicht und Spätschicht wird einfach 45 Minuten geklaut, scheiss auf Verträge. Dann heißt es auf einmal,  anstatt bis 22 Uhr dürfen wir bis 23 Uhr arbeiten und in der Frühschicht 30 Minuten vorher anfangen. Sie nennen es freiwillig, obwohl sie wissen, dass fast jeder Ja sagt, weil Stunden sonst einfach weg sind. Natürlich können wir auch Samstag arbeiten, um Stunden wieder rein zu holen. Alles,  was die Firma vorher wollte und nie bekommen hat, haben die durch Corona durchgesetzt.

Am Montag darauf bleibt mir keine andere Wahl, als zum Arzt zu gehen, 3 Wochen Krankenschein und Aussicht, immer wieder zu verlängern. Mir bleibt keine andere Wahl, da ich 4 Wochen auf den Großen aufpassen muss, da meine Frau ein Mutter-Kind-Konzept macht. Damit man den Ursachen seiner Wutausbrüche auf den Grund geht, bevor er den Kitaplatz verliert. Mit meinem Arbeitgeber zu reden macht keinen Sinn, zuviel in all den Jahren vorgefallen.

Jetzt ist die fünfte Woche vorbei. Die Kinder langweilen sich immer mehr, obwohl der Kleine noch Glück hat in der Kur,  Kindergarten etc. Keine Aussicht auf Nomalität. Keine Hilfe von Staat. Ich bin ein Mensch der zweiten Klasse geworden, keine Rechte auf der Arbeit etc. Okay, ich kann froh sein, Arbeit zu haben. Irgendwann werde ich was anderes finden, bei jemandem, der einen schätzt. Ich habe immer alles getan und gegeben. Mir wurde nie gedankt, in Gegenteil, ich wurde krank von der Arbeit (meinen Vorgesetzten).

So langsam hab ich Angst, alles, was wir uns aufgebaut haben, könnte bald weg sein. Schulden machen, damit wir das Haus halten? Mein Arbeitsplatz ist nicht sicher. Was ist mit den Kindern? Man merkt, der Große ist innerlich zerbrochen.

Zwischendurch hab ich ihn mitgenommen, damit er raus kommt: Schräge Blicke von älteren Menschen, einmal wird er sogar angemacht, was er hier draußen macht. In einigen Läden sind Kinder verboten. Man muss ihn mittlerweile übereden, damit er nach draußen geht, noch nicht mal in den Garten traut er sich.

Meine Nerven liegen blank. Die Kita bis zum Ende der Sommerferien wahrscheinlich zu. Meine Frau müsste in die Firma, sie hat bald kaum noch Arbeit für Homeoffice. Ich weiß einfach nicht weiter. Innerlich zerbreche ich. Warum hilft der Staat nicht? Verlieren wir alles und machen immense Schulden? Ist unser Traum bald vorbei?“

*Name des Verfassers ist der Redaktion bekannt.

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